Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Der Feind im Bauch

Von Wiebke Toebelmann · 2016

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa gehören zu den chronisch-entzündlichen Darmkrankheiten (CED). Weder sind ihre Ursachen geklärt noch sind sie heilbar. Doch moderne Therapieansätze versprechen Hoffnung: Sie könnten die Lebensqualität der Patienten drastisch verbessern. Dazu gehört ein bestimmter Botenstoff sowie eine Antikörpertherapie.

Zerbrochene Lebkuchenmänner, Thema: CED (Chronisch-entzündliche Darmerkrankungen)

Ein junger Mann schreibt in einem Internetforum: „Der Schmerz ist wie ein Krieg, der sich in meinem Körper abspielt.“ Mit diesen Worten beschreibt er seine Krankheit, die den Namen Morbus Crohn trägt. Tatsächlich fühlen sich Betroffene meist völlig außer Gefecht gesetzt, wenn sie wieder einmal eine Schmerzperiode ereilt, einer der für die Krankheit charakteristischen Schübe. Auf eine beschwerdefreie Periode kann nämlich wieder eine Zeit kaum erträglicher Symptome folgen. Diese sind typischerweise Bauchweh, Durchfall, Fieber sowie Zustände völliger Erschöpfung. Analfissuren, Fisteln, Hautveränderungen, sogar Entzündungen der Augen oder des Mundes. Etwa ein Drittel der Erkrankten wird arbeitsunfähig. Die Patienten haben zwar keine eingeschränkte Lebenserwartung, sind jedoch eher gefährdet, an Darmkrebs zu erkranken.

Zwei ähnliche Krankheiten

Von 100.000 Bundesbürgern sind 100 bis 200 an Morbus Crohn erkrankt, wobei Männer und Frauen gleich häufig betroffen sind. Des Öfteren werden Morbus Crohn und die „Schwesterkrankheit“ Colitis ulcerosa (160 bis 250 Betroffene auf 100.000 Einwohner) in einem Atemzug genannt. Sie gehören beide zu den chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) und haben eine Menge gemein. Zunächst einmal, dass die Ursachen noch nicht eindeutig geklärt sind und somit auch die ursachenbezogene Behandlung kaum möglich ist. Größter Unterschied: Bei Morbus Crohn kann der gesamte Verdauungstrakt von Entzündungen heimgesucht werden – von der Mundhöhle bis zum After. Bei Colitis ulcerosa ist nur der Dickdarm betroffen. Bei einer Colitis entstehen oft Geschwüre in den oberen Darmwandschichten, während der Morbus Crohn auch tief in die Darmwände eindringt und sich schlimmstenfalls Fisteln bilden sowie das Gewebe so sehr in Mitleidenschaft gezogen wird, dass es zu Durchbrüchen kommt. Diese sogenannten „Tunnel“ führen dazu, dass weitere Darmabschnitte und Organe befallen werden. Am stärksten betroffen sind meist der letzte Abschnitt des Dünndarms sowie der Übergang zum Dickdarm. Typisch ist auch, dass sich gesunde und erkrankte Areale abwechseln.

CED: Körper greift sich selbst an

Der Leidensweg der Erkrankten beginnt häufig schon im Teenageralter, meist aber zwischen dem 20. und 30. Lebensjahr. Bei Morbus Crohn vermutet man, dass er zwar nicht vererbbar ist, bei zehn bis 15 Prozent der Fälle aber eine genetische Disposition existiert. Desweiteren gibt es auch die These, dass die in modernen, industrialisierten Ländern übliche Hygiene Schuld ist an dem vermehrten Auftreten von Morbus Crohn und Colitis ulcerosa. Bei der Colitis geht man stark davon aus, dass es sich bei dieser Form der CED um eine Überreaktion des Immunsystems handelt: Der Darm, der gewöhnlich den Körper vor schädlichen Eindringlingen schützt, ist dabei ständig in Alarmbereitschaft. Das Immunsystem greift die Darmschleimhaut an und verursacht dort eine permanente Entzündung. Aber wie diese Art von Autoimmunerkrankung ausgelöst wird, bleibt unbekannt. Früher wurde angenommen, Angst oder psychischer Stress seien der Auslöser, was inzwischen jedoch widerlegt wird. Tatsächlich kann Stress aber einen Schub begünstigen.

Neue Hoffnung bei Colitis ulcerosa

Die bislang bruchstückhafte Ursachenforschung erlebt allerdings derzeit Aufwind: Forscher aus Erlangen haben den Botenstoff Interleukin-9 (IL-9) als möglichen Auslöser von Colitis ulcerosa identifiziert. Interleukine sind wichtig bei der Regulierung des Immunsystems des Darms. Gebildet werden sie in den sogenannten T-Zellen. „In den T-Zellen von Patienten haben wir eine erhöhte Konzentration von IL-9 nachgewiesen“, so Katharina Gerlach, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Erlanger Arbeitsgruppe. „In späteren Experimenten konnten wir dann im Modell bestätigen, dass IL-9 tatsächlich die vermutete entzündungsauslösende Wirkung hat.“ Hoffnung für Colitis-Patienten? Vielleicht. Die Wissenschaftler halten es für möglich, den Darm mithilfe von IL-9 regulieren und die Entzündungen damit hemmen oder gar stoppen zu können. Hier wird jedoch noch mehr Forschung nötig sein.

Gute Ernährung ist wichtig

Weder Colitis ulcerosa noch Morbus Crohn sind heilbar, doch es hat sich viel getan in der Linderung der Beschwerden. Essenziell ist für Betroffene auch, sich möglichst selbst zu helfen durch eine vollwertige Ernährung. Entzündungen und Durchfälle schwächen den Körper und letztere entziehen ihm vor allem wichtige Vitamine, Mineralien, Eiweiße und Fette. Wer mitten in einem Schub steckt, hat meist wenig Appetit.
Mangelerscheinungen schwächen den Körper aber nicht nur zusätzlich, sondern auch die Psyche. Umso wichtiger ist es, vom Spezialisten einen Ernährungsplan erstellen zu lassen und diesen auch einzuhalten. Dieser muss sehr individuell zugeschnitten sein, da der empfindliche Verdauungstrakt geschont werden sollte und jeder Patient gewisse Lebensmittel unterschiedlich verträgt. Vor allem Remissionsphasen – außerhalb eines Schubs – sind günstig, um Lebensmittel zu „testen“.

Antikörpertherapie sehr wirksam

Doch wer an einer CED leidet, braucht natürlich mehr als gesunde Kost. Gängig ist nach wie vor die Behandlung mit Immunsuppressiva und Kortison, welche Symptome während eines akuten Schubs lindern. Wer viel Kortison einnehmen muss, leidet aber oft an beträchtlichen Nebenwirkungen wie Aufgedunsenheit, Knochenschwund und einer Störung des Blutzucker- und -fetthaushaltes. Eine Alternative, in die viel Forschung – und Hoffnung – gesteckt wird, ist die Antikörpertherapie durch sogenannte Biologika. Sie binden den Entzündungsstoff TNF-alpha, was bewirkt, dass Schübe weniger stark verlaufen. Die Therapie durch Biologika kommt vor allem bei jenen CED-Patienten zum Einsatz, die stark betroffen sind. So wird nicht von vornherein „mit Kanonen auf Spatzen geschossen“. Wieder mal gilt: Jeder Patient ist individuell, und der Krankheitsverlauf muss genau beobachtet werden. Die Antikörpertherapie gilt jedoch als spannendstes und vielversprechendstes Forschungsfeld im Kampf gegen die tückischen Darmerkrankungen.

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