Mikroskopische Kolitis

Das Leiden kommt in Schüben

Von Tobias Lemser · 2017

Eine Frau hält ihren Bauch. Eine Behandlung mit Fremdstuhl kann bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen wie der mikroskopischen Kolitis helfen.
Krampfartige Bauchschmerzen sind ein typisches Symptom.

Ist von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen die Rede, denken viele an Colitis ulcerosa oder Morbus Crohn. Häufig in Vergessenheit gerät jedoch die mikroskopische Kolitis, die ebenfalls mit unzähligen durchfallartigen Stuhlgängen einhergeht. Wichtig, um Betroffenen helfen zu können, ist eine exakte Diagnose. Hoffnung auf Linderung der Beschwerden macht nun eine aktuelle Studie zur Transplantation von Fremdstuhl.

Wer jemals heftigen Durchfall hatte, weiß, wie sehr einen dies „ins Schwitzen“ bringen kann. Insbesondere Außer-Haus-Termine werden schier undenkbar, geschweige denn ein beruflicher Alltag. Das Gute: In der Regel ist die Erkrankung – egal ob verdorbene Lebensmittel oder umher fleuchende Viren daran schuld sind – zeitlich begrenzt, und die Beschwerden verschwinden so schnell wie sie gekommen sind. Anders jedoch, wenn der Durchfall anhält und einem das Leben zur Hölle macht: So wie bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, an denen hierzulande bis zu 500.000 Menschen leiden. 

Unzählige wässrige Stuhlgänge

Besonders häufig sind die Colitis ulcerosa und Morbus Crohn. Während bei Morbus Crohn die gesamte Darmwand entzündet ist und den gesamten Verdauungstrakt erfassen kann, kommt es bei der Colitis ulcerosa zu einer krankhaft gesteigerten Immunreaktion, wobei sich die Dickdarmschleimwand entzündet. Typischerweise verläuft diese Darmerkrankung in Schüben, sodass sich Phasen mit und ohne Beschwerden abwechseln. Welche Ursachen dahinterstecken, ist noch ungeklärt. Wissenschaftler vermuten eine genetische Veranlagung sowie eine Fehlfunktion des Immunsystems. Neben krampfartigen Bauchschmerzen klagen Betroffene vor allem über blutige und schleimige Durchfälle, die in besonders schweren Fällen mit bis zu 30 Stuhlgängen pro Tag auftreten können. Zudem fühlen sich viele Patienten abgeschlagen und leiden unter Fieber, Gewichtsverlust sowie Blutarmut. Allerdings variieren die Symptome – wie auch bei Morbus Crohn – von Mensch zu Mensch. 

Mikroskopische Kolitis: Durchfallsymptome pathologisch abklären

Ähnlich bei der mikroskopischen Kolitis, einer weiteren Form chronisch-entzündlicher Dickdarmerkrankungen. Doch wie grenzt sie sich ab und wie kann überhaupt eine exakte Diagnose getroffen werden, um zielgerichtet zu therapieren? Fakt ist: Anders als bei Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ist die mikroskopische Kolitis selbst mithilfe modernster bildgebender Verfahren per Koloskopie nicht mit bloßem Auge zu erkennen – ein Grund, weshalb die Erkrankung in nicht wenigen Fällen unentdeckt bleibt. Weiterer Unterschied: Während Morbus Crohn und Colitis ulcerosa eher zwischen dem 20. und 35. Lebensjahr diagnostiziert werden, tritt die mikroskopische Kolitis zumeist im fünften und sechsten Lebensjahrzehnt auf. Viele Patienten berichten zumeist von chronisch-wässrigen, aber nicht blutigen Stuhlgängen. Um Fehldiagnosen auszuschließen, sind eine Gewebeentnahme an verschiedenen Stellen der Dickdarmschleimhaut und eine anschließende mikroskopische Untersuchung unerlässlich. Findet der Pathologe darin vermehrt Entzündungsherde, ist die Diagnose gesichert. Neue Studien gehen davon aus, dass es jährlich pro 100.000 Einwohner etwa zehn bis 25 Neuerkrankungen gibt. Jedoch gilt eine nicht unerhebliche Dunkelziffer als wahrscheinlich. Damit Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen, wie der mikroskopischen Kolitis, der Weg zum Spezialisten erleichtert wird, hat der Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng) eine Zertifizierung zur „CED-Schwerpunktpraxis im bng“ eingeführt. Bislang stehen bereits 200 solcher CED-Schwerpunktpraxen deutschlandweit zur Verfügung. Wer eine solch spezialisierte Praxis in unmittelbarer Nähe sucht, bekommt über den Arzt-Finder auf dem Patientenportal der Magen-Darm-Ärzte Hilfe.

Symptome gehen deutlich zurück

Neben bestimmten Medikamenten und immunologischen Reaktionen könnte das Rauchen ein wesentlicher Risikofaktor für eine mikroskopische Kolitis sein. „Epidemiologische Daten aus verschiedenen Ländern deuten darauf hin, dass Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern mehr als doppelt so oft betroffen sind und mehr als zehn Jahre früher daran erkranken“, sagt PD Dr. Bernd Bokemeyer vom Berufsverband Niedergelassener Gastroenterologen Deutschlands (bng). 

Auch wenn die mikroskopische Kolitis wie die meisten chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen durch medikamentöse Therapien im eigentlichen Sinne nicht heilbar ist, lassen sich zumindest die Symptome erheblich eindämmen.

Grafik zur Furcht vor dem Verlust der Lebensqualität durch chronische Erkrankungen. Quelle: Studie „Inkulsion in Beruf und Alltag“, 2016
Quelle: Studie „Inkulsion in Beruf und Alltag“, 2016

Behandlung mit Fremdstuhl

Hoffnung, diese erheblichen Darmbeschwerden noch besser in den Griff zu bekommen, könnte eine im Fachmagazin „Alimentary Pharmacology & Therapeutics“ jüngst veröffentlichte Studie der Uni Graz zur Stuhltransplantation machen. Das Besondere dieser auf den ersten Blick eher befremdlich wirkenden Untersuchung, an der 27 Patienten mit chronischer Darmentzündung teilnahmen: 17 Teilnehmer erhielten zusätzlich zu einer Therapie mit Antibiotika ebenso eine Stuhltransplantation. Hierbei wurde der Stuhl eines gesunden Spenders in den Darm eines Kranken übertragen – mit dem Ziel, dessen geschädigte Darmflora wiederaufzubauen. Ergebnis: 59 Prozent der Probanden sprachen auf die Behandlung an, bei knapp einem Viertel ging die Darmentzündung sogar in Gänze zurück. Nachdem in Österreich vor zwei Jahren eine ähnlich angelegte Studie nahezu gleiche Ergebnisse gebracht hatte, wurden daraufhin im Rahmen wissenschaftlicher Untersuchungen einige hundert solcher Eingriffe an mehreren österreichischen Kliniken durchgeführt. Während speziell hierfür eigene Spender herangezogen und ausgiebig getestet wurden, gibt es in den Niederlanden, wo die ersten Studien dieser Art durchgeführt wurden, sogar Stuhldatenbanken.

Stuhl aus der Kapsel

Doch was bewirkt eine Stuhltransplantation im Darm überhaupt? Fest steht: Ziel der Forscher ist es, das intestinale Mikrobiom gezielt zu verändern, um das Immunsystem und die Darmerkrankungen günstig zu beeinflussen. Mit einem neuen Verfahren konnte einer Patientin in Köln geholfen werden, die durch gefährliche Bakterien, sogenannte Clostridien, an Colitis ulcerosa erkrankt war. Mediziner verabreichten ihr an zwei aufeinander folgenden Tagen eine Stuhlspende in Kapselform. Dank dieses schonenden Verfahrens konnten in diesem Fall nicht nur die Clostridien, sondern auch die Colitis ulcerosa erfolgreich behandelt werden – Nachrichten, die Mut machen, künftig noch vielen weiteren Betroffenen ein großes Stück ihrer verlorengegangenen Lebensqualität zurückzugeben.

Auf eine Blick: chronisch-entzündliche Darmerkrankungen

Colitis ulcerosa

  • Ist eine Entzündung, die nur die oberflächlichen Schleimhautschichten der Darmwand betrifft.

  • Die Beschwerden treten nur im Dick- und Enddarm auf.

  • Markant sind blutige, schleimige Durchfälle.

  • Betroffene sprechen von wiederkehrenden Bauchschmerzen, oft im rechten Unterbauch, ähnlich wie bei einer Blinddarmentzündung.

Morbus Crohn

  • Ist eine Entzündung, die alle Schichten der Darmwand betrifft, wobei sich entzündete Darmabschnitte mit entzündungsfreien Bereichen abwechseln.

  • Kann im gesamten Verdauungstrakt – vom Mund bis zum After – auftreten.

  • Typische Anzeichen sind regelmäßige, oft schleimige Durchfälle, meistens ohne Blut.

  • Beschwerden äußern sich in oft krampfartigen Bauchschmerzen vor der Stuhlentleerung.

Mikroskopische Kolitis

  • Ist eine chronisch-entzündliche Erkrankung des Dickdarms, die nur mithilfe eines Pathologen diagnostiziert werden kann.

  • Patienten klagen hauptsächlich über chronisch wässrigen Durchfall, der häufig nachts auftritt.

  • Auffallende Symptome sind imperativer Stuhldrang und Bauchschmerzen.

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