Das Mikrobiom in unserem Darm

Den Geheimnissen des Darms auf der Spur

Von Michael Gneuss und Katharina Lehmann · 2021

Milliarden Mikroben besiedeln unseren Darm. Schlecht ist das nicht – im Gegenteil: Die winzigen Mitbewohner helfen uns, unsere Nahrung zu verstoffwechseln und halten uns gesund. Doch das Mikrobiom gerät schnell durcheinander. Im schlimmsten Fall macht uns das krank.

Person bereitet einen bunten Salat vor.
Gemüse entlastet den Darm und stärkt die guten Darmbakterien. Foto: iStock / zoff-photo

Bakterien, Viren, Hefen und Pilze sind nicht immer schlecht. Viele dieser Mikroorganismen helfen uns sogar, gesund und fit zu bleiben. Vor allem das Mikrobiom in unserem Darm kann viel mehr, als nur Gemüse, Obst, Brot und Milch in Lebensenergie zu verwandeln. Es wirkt auch auf unsere Gesundheit und unsere Psyche.

Über 38 Billionen Mikroorganismen leben in unserem Darm – anderthalb bis zwei Kilogramm bringt das gesamte Mikrobiom auf die Waage. Wie wichtig es für unsere Gesundheit ist, beginnt die Wissenschaft gerade erst zu verstehen. „Wir lernen gerade, dass das Mikrobiom auch Einfluss auf unser Wohlbefinden hat und damit natürlich auf die Gesamtgesundheit“, erklärt Albrecht Hoffmeister, Professor für Gastroenterologie am Universitätsklinikum Leipzig gegenüber dem MDR.

Lebensstil bringt das Mikrobiom in unserem Darm durcheinander

Doch das Mikrobiom sieht nicht bei allen Menschen gleich aus. Und es verändert sich im Laufe unseres Lebens. Vor allem die Einnahme von Antibiotika setzt den Darmbakterien zu. „Antibiotika sind Medikamente, die Bakterien töten“, erklärt Hoffmeister. Das Problem: Sie erwischen nicht nur die krankmachenden, sondern auch die guten Bakterien im Darm. So werde die Darmflora durcheinandergebracht, an der Stelle gesunder Bakterien können sich schädliche ansiedeln.

Denn die Zusammensetzung der Darmflora besteht vornehmlich aus zwei Bakterienstämmen: Firmicutes und Bacteroidetes, erklärt Ernährungsmedizinerin Anne Fleck, die zusammen mit ihren Kollegen Jörn Klasen, Matthias Riedl und Silja Schäfer als Ernährungs-Doc hilft, Erkrankungen mithilfe der Ernährung zu mildern. „Jedes Individuum hat eine eigene Komposition der Darmmikroben, gleich einem Fingerabdruck.“ Nehmen wir zu viele ungesunde Lebensmittel zu uns, dominiert die Firmicutes-Gruppe. Und die steht im Verdacht, Übergewicht und Krankheiten zu fördern.

Neben Nikotin und Alkohol bringen vor allem zu viel Zucker und schlechte Fette, Konservierungsstoffe und rotes Fleisch unsere Darmflora durcheinander. „Viel Fertignahrung schädigt laut verschiedenen Studien unser Mikrobiom, also der Vielfalt unserer Darmbakterien“, weiß auch Ernährungs-Doc Jörn Klasen.

Besser sei da die mediterrane Küche mit viel Obst und Gemüse. Nur einmal pro Woche sollte möglichst unverarbeitetes Fleisch auf den Tisch, Tiefseefisch wie Lachs, Makrele oder Hering zweimal pro Woche. Wichtig seien zudem Ballaststoffe sowie Prä- und Probiotika, die die Bakterienvielfalt im Darm fördern. Präbiotika sind in Gemüsesorten wie Chicorée, Zwiebeln, Knoblauch, Topinambur, Lauch, Spargel, Schwarzwurzeln, aber auch in Vollkornprodukten vorhanden. Probiotika findet man in vergorenen Lebensmitteln wie Joghurt, Buttermilch, Kefir und Sauerkraut. Sie stärken die Abwehrkräfte, indem sie die schlechten Darmbakterien eliminieren und die guten unterstützen.

Gesunde Bakterien übertragen

Einer anderen Möglichkeit, eine ausgewogene Darmflora wieder herzustellen, sind die Forscher gerade auf der Spur. Mit einer Stuhltransplantation übertragen sie Darmbakterien von gesunden Patienten auf Erkrankte. Die Hoffnung: Das Mikrobiom des erkrankten Patienten so zu beeinflussen, dass der Krankheitsverlauf gemildert wird. Erste Versuche waren bereits erfolgreich – vor allem die entzündliche Darminfektion Clostridium difficile konnte so behandelt werden. Potenzial sehen Forscher aber auch in der Behandlung von Rheumatoider Arthritis, Typ-2-Diabetes oder multipler Sklerose. Ob sich die Stuhltransplantation aber auch auf die Gruppe der chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen anwenden lässt, ist bisher nicht ausreichend erforscht. Könnten Wissenschaftler derartige Fälle in Zukunft mit einer Stuhltransplantation behandeln, wäre das für viele Patienten ein Segen.

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