Gesunde Verdauung

Gesundheit beginnt im Darm

Von Nadine Effert · 2023

Bauchschmerzen, Völlegefühl, Durchfall: Über Probleme mit Magen und Darm klagen jährlich Millionen Menschen in Deutschland. Nicht immer sind die Ursachen harmlos. Auch eine bakterielle Fehlbesiedlung des Darms führt zu Beschwerden. Ein gesunder Verdauungstrakt trägt viel zum Wohlbefinden eines Menschen bei. Besonders die Ernährung hat darauf Einfluss.

Die Darmwand ist Lebensraum von unzähligen Mikroorganismen.
Die Darmwand ist Lebensraum von unzähligen Mikroorganismen. Foto: iStock / M. H. Nizamudeen
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Magen und Darm, das sind zwei Organe, die einen wichtigen Job haben: die Verdauung. Mund auf, Nahrung rein, gut kauen und dann schlucken – mehrmals täglich führen wird diesen Vorgang aus. Bis die Verdauung komplett abgeschlossen ist und die unverwertbaren Reste des Nahrungsbreis als Stuhlgang unseren Körper verlassen, können bis zu 100 Stunden ins Land gehen. Übrigens: Im Schnitt scheiden Erwachsene rund 250 Gramm Kot täglich aus. Farbe, Konsistenz und Form hängen davon ab, was wir essen, aber auch von unserem Gesundheitszustand. Für medizinische Fachleute ist der umgangssprachlich als „Wurst“ bezeichnete Stuhlgang weit mehr als nur ein Abfallprodukt, denn seine Analyse liefert ihnen wichtige Hinweise auf Krankheiten. Genauso wie der Darm und die mit ihm verbundenen Erkrankungen selbst.


Frühwarnsystem für Parkinson

Denn der gewundene Muskelschlauch, der vom Magen bis zum After reicht, ist auch eine Art Kristallkugel: So berichteten Forschende der Mayo Clinic in Scottsdale, Arizona, im Fachmagazin „Gut“ im August 2023 darüber, dass bestimmte Darmprobleme ein Frühwarnzeichen für Parkinson sein könnten. Analysen ergaben, dass vier Darmerkrankungen mit einem höheren Risiko für eine Parkinsondiagnose verbunden waren: Gastroparese (verzögerte Magenentleerung), Dysphagie (Schluckstörung) und Verstopfung waren mit einem mehr als doppelt so hohen Risiko verbunden, während das Reizdarmsyndrom ohne Durchfall mit einem 17 Prozent höheren Risiko verbunden war.


Folgen gestörter Darmflora

Auch das sogenannte Mikrobiom des Darms beeinflusst unsere Gesundheit. Der Darm ist nämlich Lebensraum für eine riesige Anzahl an Mikroorganismen, hauptsächlich Bakterien, aber auch Pilze, Archaeen, Protozoen und Viren: Allein der Dickdarm beherbergt schätzungsweise 100 Billionen, die zusammen bis zu zwei Kilogramm Gewicht auf die Waage bringen. Die Bakterien im Darm haben vielfältige Aufgaben: Sie helfen zum Beispiel bei der Verdauung, sind an der Bildung von Vitaminen, Hormonen und Botenstoffen beteiligt und stärken die Darmbarriere, sodass krankmachende Erreger oder Substanzen nicht weiter ins Körperinnere gelangen können. Voraussetzung: Die vielfältige Zusammensetzung der „Mi­kroben-WG“ stimmt. Haben „böse“ Bewohner die Oberhand, kommt es also zu einer Fehlbesiedlung, kann das gesundheitliche Folgen haben – von harmlosen Verdauungsstörungen über ein geschwächtes Immunsystem bis hin zu ernsten Erkrankungen. Das Mikrobiom wird beispielsweise mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED), Allergien, Adipositas, Diabetes mellitus und Depressionen oder auch Demenz in Verbindung gebracht. Ob dabei Veränderungen des Mikrobioms eine Erkrankung auslösen oder ob sie eine Folge von ihr sind, ist bisher noch nicht gänzlich geklärt. Fest steht aber, dass nicht nur der Gesundheitsstatus, sondern auch der Lebensstil und die Ernährung maßgeblich die Funktion des Mikrobioms beeinflussen. Ernährt sich zum Beispiel ein Fleischesser plötzlich vegan, verändert sich das Mikrobiom – gemäß einer in „Frontiers Nutrition“ publizierten Studie – innerhalb von 72 Stunden komplett und stellt sich auf die neue Ernährung ein. Einen negativen Einfluss haben beispielsweise stark industriell verarbeitete Lebensmittel, rotes Fleisch und Wurst. Auch bei Alkohol gilt: nur in Maßen. Und eine aktuelle Studie des Weizmann-Instituts im israelischen Rehovot fand heraus: Nicht nur Zucker, auch Süßstoffe wie Sucralose oder Aspartam verändern das Mikrobiom.

In den meisten Fällen entsteht Darmkrebs aus zunächst gutartigen Darmpolypen.
In den meisten Fällen entsteht Darmkrebs aus zunächst gutartigen Darmpolypen. Foto: iStock / M. H. Nizamudeen

Darmkrebs: Vorsorge ausweiten

Eine schlechte Ernährungsweise hat – neben zum Beispiel den Faktoren Übergewicht, Rauchen und Diabetes – auch Einfluss auf das Darmkrebsrisiko, das mit dem Alter zunimmt. Oft besteht jedoch eine Veranlagung: Wenn Eltern oder Geschwister bereits an einem kolorektalen Karzinom erkrankt sind, verdoppelt sich das Risiko, an dieser Krebsart zu erkranken. Für die Gruppe an Menschen mit familiärer Vorbelastung wäre eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung bereits ab dem 30. Lebensjahr sinnvoll. Zu diesem Schluss kommt die im Frühjahr 2023 veröffentlichte FARKOR-Studie. Die gesetzliche Vorsorgekoloskopie ab 50 geht schließlich mit gutem Beispiel voran: Seit der Einführung ist die Zahl der Darmkrebs-Neuerkrankungen deutlich zurückgegangen. Hingegen sind die Darmkrebsfälle bei unter-50-Jährigen in den letzten Jahren sogar häufiger geworden.


Krebsvorstufen bei jeder achten Untersuchung

Im Rahmen der FARKOR-Studie wurden Patientinnen und Patienten zwischen 25 und 49 Jahren gezielt auf mögliche Darmkrebsfälle in ihrer Verwandtschaft angesprochen. Bejahten sie diese Frage, wurde ihnen eine entsprechende Vorsorgeuntersuchung, bestehend aus einem immunologischen Test auf verstecktes Blut im Stuhl (iFOBT) oder einer Darmspiegelung (Koloskopie), angeboten. „Bei 363 Personen – rund jedem achten Untersuchten – wurden dabei Krebsvorstufen gefunden, in vier Fällen sogar manifeste Karzinome“, resümiert Professor Dr. med. Frank Kolligs, Chefarzt der Inneren Medizin und Gastroenterologie am Helios Klinikum Berlin-Buch in einer Mitteilung der Deutschen Gesellschaft für Gastroenterologie, Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten (DGVS). Die Sprecherin der DGVS, Privatdozentin und Chefärztin der Klinik für Innere Medizin/Gastroenterologie der GFO Kliniken Bonn, Dr. med. Birgit Terjung, plädiert für ein vorgezogenes Screening nicht nur aus medizinischer Sicht: „Das Darmkrebs-Screening ab 30 kann dazu beitragen, hohe Folgekosten für eine Krebstherapie zu vermeiden, und ließe sich leicht in die Vorsorgeroutine einbinden. Wir plädieren angesichts der eindeutigen Studienlage dafür, das Programm noch in diesem Jahr umzusetzen.“

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